Wie werden wir stark für stürmische Zeiten?

Wie werden wir stark für stürmische Zeiten?

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THEMA
AUTOR/IN

von Jennifer Konkol | Funkensprühen GmbH

 

In diesem Beitrag erfahren Sie:

  • Was ist Positivität?

  • Warum ist positive Führung heute wichtig?

  • Was sagt die Wissenschaft zu positiver Führung?

  • Was ist das PERMA-Modell?

  • Welche fünf Dinge kann ich heute noch tun?

 

Was unterscheidet mittelmässig erfolgreiche Unternehmen von denen, die überdurchschnittlich erfolgreich sind?

Damit beschäftigt sich positive Organisationspsychologie. Wie ihre grosse Schwester, die «positive Psychologie», zeichnet sich dieser Ansatz durch den Fokus auf positive Abweichung aus. In der positiven Psychologie wird nicht wie in der klassischen Psychologie erforscht, warum Menschen krank werden und andere gesund bleiben. Die positive Psychologie beschäftigt sich damit, warum manche Menschen besonders glücklich sind und es ihnen besser geht als dem Durchschnitt. Im Hinblick auf Organisationen wird nicht untersucht, warum bestimmte Unternehmen schlecht performen und was man tun kann, um das zu verhindern. Vielmehr ist es Ziel zu verstehen, warum einzelne Unternehmen ausserordentlich und für alle Beteiligten exzellent performen. Es stellt sich die Frage, wie diese positive Abweichung durch Führungsverhalten unterstützt werden kann. Dies ist Gegenstand von positiver Führung.

 

 

Was ist positive Führung?

Vielleicht ist es an dieser Stelle ratsam zuerst zu sagen, was positive Führung nicht ist: Positiv heisst nicht, dass negiert wird, was herausfordernd ist oder falsch läuft. Es bedeutet nicht, dass man fortan mit rosaroter Brille durch den Arbeitsalltag läuft, in stets guter Laune und einer permanenten «Alles ist gut»-Einstellung. Positive Führung legt den Fokus auf Stärken, Ressourcen und Kompetenzen einer Person, eines Teams und einer Organisation. Herausforderungen wird dadurch begegnet, dass vorhandene Ressourcen gestärkt werden. Sie zielt darauf ab, individuelles Potential zu entfalten, Energie freizusetzen und positive Emotionen zu stärken. Dabei schlägt sie die Brücke zwischen Theorie und Praxis, weil sie auf Methoden und Praktiken setzt, deren Wirkung empirisch gut belegt sind.

 

Auch wenn positive Praktiken zum Teil einfach anzuwenden sind, geht positive Führung als Haltung tief und braucht Zeit, bis sie verankert ist. Mit ihr wird ein Fundament bereitet wird, das in guten Zeiten trägt, aber auch Stürmen und schweren Zeiten Stand hält. Gewissermassen baut positive Führung die Widerstandskraft oder das Immunsystem einer Organisation auf. Und dabei fängt sie bei der Führungskraft selbst an und umfasst Themen wie Selbstführung, Haltung, Selbstbild und Selbstreflexion.

 

Eine Führungskraft ist dabei jemand, der Einfluss nimmt und dies unabhängig von Hierarchie und formaler Organisationsstruktur. Wie Brené Brown sagt: «Eine Führungskraft ist jeder, der die Verantwortung dafür übernimmt das Potential in Menschen und Prozessen zu finden und den Mut hat dieses Potential zu entwickeln.» Gerade in Zeiten, in denen die klassischen, hierarchischen Organisationsformen und damit das Führungsverständnis zunehmend in Frage gestellt werden, ist das wichtig zu betonen.

 

Warum ist positive Führung heute wichtig?

In Zeiten, in denen Maschinen vieles besser können als wir, sollten wir uns mehr denn je auf die einzigartigen, menschlichen Kompetenzen konzentrieren: Empathie, Beziehungen, Sinn und Kreativität. In den letzten Jahrzehnten haben wir als Gesellschaft viel investiert, um technischen Fortschritt zu erlangen. Jetzt gilt es sich zusätzlich darauf zu konzentrieren, wie wir Beziehungen gestalten und zusammenarbeiten, um mit den anstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt umgehen zu können. Positive Führung bietet vier Gründen einen wesentlichen Hebel im Umgang mit den Chancen und Herausforderungen von New Work:

  1. Menschliche Qualitäten sind kostbar für Innovation: Eine Umfrage der Uni St. Gallen unter 800 Führungskräften hat gezeigt, dass mit dem Einzug von KI in den Unternehmensalltag die Mitarbeitenden wieder top Führungspriorität werden. Menschliche Qualitäten und zwischenmenschliche Beziehungen werden wieder kostbar. Auch deshalb, weil der menschliche Einfallsreichtum wichtigste Zutat bei der Entwicklung disruptiver Business Modelle und im Innovationsprozess sind. Führungskräfte müssen lernen, wie sie ein Umfeld schaffen, in dem Menschen aufblühen und kreativ sein können.
  2. Positive Führung schafft den Boden für Lernen und Agilität: Eine Studie aus dem Hause Google bei der 180 Teams untersucht wurden zeigte, dass psychologische Sicherheit bei weitem der wichtigste Faktor für innovative, erfolgreiche Teams ist. In einer positiven Atmosphäre, in der man sich sicher fühlt und auch Fehler machen kann, lernt man am besten. Dies ist das Fundament für Entwicklung, Lernen und Agilität.
  3.  Glückliche Mitarbeitende sind ein zentraler Wettbewerbsfaktor: Positive Führung sucht den Rahmen zu schaffen, damit Mitarbeitende aufblühen können und in Ihrer Tätigkeit aufgehen könne. Es ist ein empirisch gut belegter Zusammenhang, dass glückliche Mitarbeitende und glückliche Kunden miteinander einhergehen. Mitarbeitende, die gerne zur Arbeit kommen und Spass an Ihrer Tätigkeit haben, können aussergewöhnliche Erlebnisse und Angebote für die Kunden schaffen.
  4. Eigenverantwortliche Mitarbeitende sind kritischer Erfolgsfaktor: Positive Führung unterstützt Mitarbeitende dabei ihr Potential zu entwickeln und die eigene Handlungsfähigkeit zu stärken. Dies ist vor allem jetzt wichtig, wo Hierarchien abgebaut werden und man auf den Einsatz und die Entscheidungskraft von Vielen statt Einzelnen angewiesen ist. Jeder Schritt in Richtung höherer Selbstorganisation braucht eine Kultur, in der Mitarbeitende selbst ermächtigt sind zu handeln.
  5. Positive Führung stärkt und hält gesund: Die Arbeitsverdichtung und der Arbeitsdruck haben in den letzten Jahren stark zugenommen und mit ihr die Fälle psychischer und psychosomatischer Krankheiten. Die Gesunderhaltung und Gesundheitsförderung ist ein zentrales Thema. Mit dem Fokus auf Stärken und Ressourcen leistet positive (Selbst-)Führung einen Beitrag zur Erhöhung des eigenen Wohlbefindens und dem von Mitarbeitenden und Kollegen.

 

 

Und was sagt die Wissenschaft?

Eine wachsende Anzahl empirischer Forschungsarbeiten zeigt, dass positive Führungspraktiken Ergebnisse auf zwei Ebenen erzielen:

  • Organisational: Erhöhung der Produktivität, Profitabilität, Qualität, Innovation und Kundenbindung.
  • Individuell: Verbesserung der körperlichen Gesundheit, des emotionalen Wohlbefindens, der Gehirnfunktion, des Lernens und der zwischen-menschlichen Beziehungen.

 

Nachstehende Grafik zeigt beispielhaft drei Studien, welche die Effekte positiver Führung und dem Management positiver Energien betrachtet haben:

 

Das PERMA-Modell

Der amerikanische Psychologe Martin Seligmann gilt als massgeblicher Treiber und für machen sogar als Vater der positiven Psychologie. Aus umfangreichen Forschungen hat das PERMA- Modell entwickelt, welches die fünf messbaren Elemente des Wohlbefindens umfasst. Dies sind nach seinem Verständnis die Faktoren, mit denen Menschen aufblühen und ihr Potential entfalten. Es ist daher auch ein Kernmodell in der positiven Führung.

 

  • P wie positive Gefühle: Das bewusste Erleben positiver Gefühle wie Dankbarkeit, Hoffnung, Zuneigung, Wertschätzung, Zuversicht oder Genuss ist wichtiger Faktor für das Wohlbefinden von Menschen. Dafür kann man aktiv etwas tun. Positive Führung muss diesen Gefühlen Raum geben und sie pflegen –  im eigenen Leben wie auch im Team.
  • E wie Engagement: Menschen werden zufriedener, wenn sie Ihre Stärken leben. Üben wir Tätigkeiten aus, bei denen die Schwierigkeit der Aufgabe mit den Kompetenzen im Gleichgewicht sind, kann Flow entstehen. Dies ist ein beglückendes Gefühl mentaler Vertiefung, bei dem Zeit und Raum vergessen werden. Positive Führung unterstützt dabei die eigenen Talente und Stärken kennenzulernen und gibt Raum, um diese im Unternehmen einzubringen.
  • R wie Relationships (Beziehungen): Das menschliche Gehirn ist für soziale Beziehungen verdrahtet. Funktionierend Beziehungen, gute Kontakte und das Gefühl, sich auf andere verlassen zu können tragen enorm zum Glücksgefühl bei. Positive Führung versucht soziale Netzwerke zu stärken und investiert in positive Beziehungen.
  • M wie Meaning (Sinn): Für das Glücksempfinden ist es relevant, ob wir das Gefühl haben einer sinnvollen Tätigkeit nachzugehen oder etwas zu tun, dass für uns Bedeutung hat. Eine positive Führungskraft ist sich in erster Linie des eignen Sinns bewusst und gibt dem eigenen Handeln Sinn. Darüber hinaus ist sie bestrebt ein Umfeld zu schaffen, in dem andere entsprechend ihrer Werte, Wünsche oder Sehnsüchte arbeiten können. Kernelement ist es dabei auch die Bedeutsamkeit der einzelnen Beiträge und den übergeordneten Sinn Gesamtorganisation transparent und zum Gespräch zu machen.
  • A wie Accomplishment (Zielerreichung): Das Erreichen von Zielen fördert das Selbstwertgefühl und erhöht das Glücksgefühl. Im positiven Führungsansatz werden gemeinsam realistische und konkrete Ziele gesetzt, die erreicht werden können. Erfolge werden gewürdigt und gemeinsam gefeiert.

Zu jedem dieser fünf Bereiche gibt es Methoden und Praktiken, deren Wirkung wissenschaftlich geprüft ist. Um einen ersten Eindruck zu erhalten, werden nachfolgend exemplarisch drei positive Praktiken vorgestellt, mit denen man direkt anfangen kann. Denn Veränderung kommt nicht daher, dass man die Dinge versteht, sondern nur dadurch, dass man sie in die Tat umsetzt.

 

 

Fünf Positive Praktiken für den Start

  1. Dankbarkeit: Dankbarkeit zu zeigen ist positiv für den Empfänger und wirkt sich auch mindestens so positiv auf das Wohlbefinden des Gebers aus. Sagen Sie doch heute einmal 5 Personen, wofür Sie ihnen dankbar sind. Auch Kudo-Karten sind ein wunderbares Ritual. Am Ende eines Meetings legen Sie die sogenannten Kudo-Karten auf den Tisch mit Überschriften, wie «Danke», «Grossartig», «Glückwunsch», «Gut gemacht», «Beeindruckend» und leeren Zeilen darunter. Jeder Teilnehmende kann sich jetzt Karten nehmen und für andere Teilnehmende positive Botschaften notieren und sie überreichen.
  2. Dankbarkeit 2: Eines der am besten untersuchten positiven Rituale ist das Dankbarkeitstagebuch, bei dem Sie sich jeden Abend 5 Minuten die Zeit nehmen aufzuschreiben, wofür Sie dankbar sind. Wenn Sie dies regelmässig tun, können Sie sich auf folgende Effekte freuen: bessere Stimmung, höherer Optimismus, seltener krank, besserer Schlaf, grössere Fortschritte bei eigenen Zielen, mehr Enthusiasmus und Energie.
  3. Talente / Stärken: Notieren Sie 5 Begebenheiten, in denen Sie entweder einen wichtigen Beitrag geleistet haben oder eine Ihrer besonderen Stärken/Qualitäten sichtbar wurde. Was war es für eine Begebenheit? Was war der Wert Ihres Beitrags? Welches Talent ist dort sichtbar geworden? Wie können Sie dieses Talent häufiger in Ihrme jetzigen Job oder Alltag leben? Wie können Sie ihm mehr Platz / Zeit einräumen. Steigerung für Könner: Bitten Sie 20 Menschen aus Ihrem Umfeld (privat / beruflich) Ihnen ebenfalls 3 Begebenheiten zu beschreiben, in der man Sie im Best Self gesehen hat.
  4. «Ja, und» statt «Ja, aber»: Die «Ja, aber…»-Phrase ist ein echter Motivations- und Kreativitätskiller. Sie erstickt jede Idee im Keim, hat einen Schwächen-Fokus und verhindert, dass man das Denken aufeinander aufbaut und vorankommt. Sagen Sie doch heute einmal in allen Gesprächen oder Meetings, die Sie führen «Ja, und…» statt «Ja, aber…». Steigerung für Könner: Hören Sie doch heute einmal in jedem Gespräch mindestens 2/3 der Zeit zu. Tun Sie das, ohne im Kopf Ihre Antworten oder Argumente zurechtzulegen. Konzentrieren Sie sich auf das Verstehen. Stellen Sie Fragen, die helfen die Perspektive des anderen wertfrei zu erkunden.
  5. Gut genug: Perfektionismus behindert Erfolge. Er hängt ausserdem mit Depression, Ängsten, Suchterkrankung und Handlungsunfähigkeit zusammen. Wo sind Sie, Ihr Team, Ihre Leistungen / Produkte heute schon gut genug? Erstellen Sie eine Liste mit Dingen, in die Sie keine zusätzliche Energie mehr stecken brauchen. Entscheiden Sie, wo 80%-Lösungen gut genug sind.

 

Ein Zweifel, dem die positive Psychologie oft begegnet ist, dass viele Praktiken nach gesundem Menschenverstand klingen. Sie wirken zu einfach, zu selbstverständlich, zu banal um grosse Veränderungen zu bewirken. Aber wie schon Voltaire sagte: «Common sense is not that common.» Insbesondere wenn es um die Anwendung des common sense geht. Natürlich geht positive Führung über diese Praktiken hinaus. Es geht um Selbstreflexion, Persönlichkeitsentfaltung, Team- und Organisationsentwicklung. Aber auch diese grosse Themen, erhalten Energie und werden gespeist von vielen kleinen einzelnen Aktivitäten. Manchmal sind es eben auch die kleinen Dinge, die einen Unterschied machen können, wenn man sie mit ganzen Herzen anwendet und konsequent in den Alltag integriert.

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