von Michael Hasler im HR Profi | newplace
Massenentlassungen gehören auch in der Schweiz zur Realität. Ein fairer, empathischer und rechtssicherer Prozess stärkt Betroffene wie Unternehmen – und sichert Vertrauen und Motivation in der gesamten Belegschaft.
Rechtliche Grundlage und Konsultationspflicht
In der Schweiz regelt das Obligationenrecht (Art. 335d ff. OR) Massenentlassungen eindeutig. Sie gelten als solche, wenn in einem Betrieb mit mehr als 20 Mitarbeitenden innerhalb von 30 Tagen folgende Schwellenwerte überschritten werden:
- mindestens 10 Kündigungen in Betrieben mit 21–99 Mitarbeitenden,
- mindestens 10 % der Belegschaft bei 100–299 Mitarbeitenden,
- mindestens 30 Kündigungen in Betrieben mit 300 oder mehr Mitarbeitenden.
Erreicht ein Unternehmen diese Schwellen, ist das Konsultationsverfahren nach Art. 335f OR verpflichtend: Arbeitgebende müssen die Betroffenen rechtzeitig schriftlich informieren und ihnen die Möglichkeit geben, Vorschläge einzureichen, wie Kündigungen vermieden oder ihre Folgen gemildert werden können. Diese Vorschläge müssen sorgfältig geprüft und schriftlich dokumentiert werden. Parallel dazu ist die kantonale Arbeitsmarktbehörde (RAV) zu benachrichtigen.
Konsultationsverfahren: Schritte für Fairness und Rechtssicherheit
- Analyse & Vorbereitung: Prüfung, ob die gesetzlichen Schwellenwerte erreicht sind, und Evaluation von Alternativen wie zum Beispiel Kurzarbeit oder interne Versetzungen. Ein klarer Zeitplan ist entscheidend, um Unsicherheiten zu vermeiden.
- Information: Frühzeitige und vollständige schriftliche Information an die betroffenen Mitarbeitenden oder ihre Vertretung über die Gründe der Entlassung, Zahl der Betroffenen, Zeitraum der Kündigungen und Auswahlkriterien.
- Vorschläge einholen & prüfen: Mitarbeitende haben das Recht, Vorschläge einzubringen. Diese müssen ernsthaft geprüft und die Ergebnisse dokumentiert werden.
- Meldung ans RAV: Die kantonale Arbeitsmarktbehörde ist rechtzeitig schriftlich und umfassend zu informieren.
- Abschluss & Kommunikation: Nach Prüfung der Vorschläge ist der Entscheid transparent zu kommunizieren und zu begründen. Erst danach dürfen Kündigungen ausgesprochen werden.
Phase 1: Vorbereitung & Planung
Damit der Prozess fair und rechtssicher abläuft, sollten Unternehmen in dieser Phase folgende Massnahmen umsetzen:
- Alternativen prüfen: Bevor Kündigungen unumgänglich werden, müssen Möglichkeiten wie Kurzarbeit, interne Versetzungen oder freiwillige Austrittsmodelle sorgfältig erwogen werden.
- Strukturen schaffen: Ein präziser Zeitplan für das Konsultationsverfahren mit allen relevanten Beteiligten (Management, HR, Rechtsberatung, Kommunikation) ist essenziell.
- Kommunikationskonzept entwickeln: Einheitliche Botschaften und ein abgestimmtes Wording helfen, Unsicherheiten zu vermeiden und sowohl Betroffenen als auch den verbleibenden Mitarbeitenden eine klare Perspektive zu vermitteln.
- Führungskräfte vorbereiten: Sie müssen schwierige Gespräche mit Betroffenen empathisch und respektvoll führen können – und gleichzeitig Survivors Orientierung geben und Ängste abbauen. Trainings oder Rollenspiele sind hier oft hilfreich, um auf unterschiedliche Reaktionen vorbereitet zu sein.
- Unterstützungsmassnahmen planen: Bereits in der Planung sollten Programme für Gekündigte (z. B. Outplacement, Standortbestimmungen) ebenso vorbereitet werden wie Massnahmen für Survivors (z. B. Perspektivgespräche, Teamentwicklung), um emotionale Belastungen abzufedern und Motivation zu erhalten
- Dokumentation aufsetzen: Alle Massnahmen, Vorschläge und getroffenen Entscheidungen sollten von Anfang an sauber dokumentiert werden, damit der gesamte Prozess rechtlich abgesichert und für alle nachvollziehbar ist.
Phase 2: Umsetzung & Kündigungen
In dieser Phase werden die Kündigungen ausgesprochen, schwierige Gespräche geführt und erste emotionale Reaktionen verarbeitet. Jetzt braucht es besonders viel Fingerspitzengefühl und eine klare Orientierung:
- Kündigungsgespräche respektvoll führen: Gespräche sollten in einem ruhigen und geschützten Rahmen stattfinden. Führungskräfte müssen Fragen der Betroffenen offen beantworten und ihnen eine erste Orientierung geben, wie es weitergeht.
- Ansprechpersonen bereitstellen: Für akute emotionale Belastungen ist es wichtig, dass interne oder externe Ansprechpersonen direkt zur Verfügung stehen. So können Unsicherheiten früh aufgefangen und Eskalationen vermieden werden.
- Klare Informationen: Betroffene sollten genau wissen, welche nächsten Schritte anstehen – von der Anmeldung beim RAV über mögliche Abfindungsansprüche bis hin zu Unterstützungsangeboten. Eine klare Ansage schafft Vertrauen und hilft, Ängste zu reduzieren
- Survivors einbeziehen: Auch die verbleibenden Mitarbeitenden müssen aktiv angesprochen werden, um Gerüchten vorzubeugen und ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln. Informationen zu neuen Strukturen, Aufgaben und Erwartungen helfen, den Fokus im Team wiederherzustellen.
- Transparenz wahren: Gerade in der Schweiz, wo offene Kommunikation geschätzt wird, ist es entscheidend, ehrlich und nachvollziehbar über die Hintergründe und die nächsten Schritte zu informieren. Nur so bleibt das Vertrauen in die Unternehmensführung erhalten.
Phase 3: Stabilisierung & Neuorientierung
Nach der Kündigung beginnt eine entscheidende Zeit: Es zeigt sich, ob Vertrauen und Motivation in der Belegschaft erhalten bleiben. Unternehmen sollten jetzt gezielt handeln, um Sicherheit zu geben und Perspektiven zu eröffnen:
- Survivors stabilisieren: Perspektivgespräche, Teamentwicklung oder regelmässige Austauschrunden helfen, Unsicherheiten abzubauen. So gewinnen Survivors Vertrauen und Motivation zurück.
- Zukunftsperspektiven aufzeigen: Klarheit über Strategie, Ziele und künftige Rollen ist wichtig, damit die Belegschaft weiss, wohin die Reise geht. Transparente Informationen geben Orientierung und helfen, sich auf neue Aufgaben einzulassen.
- Gekündigte begleiten: Unterstützung durch Outplacement, Bewerbungscoaching oder Standortbestimmungen erleichtert den Betroffenen den Neustart. Wer hier Hilfe anbietet, übernimmt Verantwortung und hilft, den Übergang zu verkürzen.
- Emotionale Unterstützung: Veränderungen lösen oft Ängste oder Frustration aus. Gespräche oder psychologische Beratung können Betroffenen und auch Survivors helfen, die Situation zu verarbeiten und wieder nach vorne zu schauen.
Kommunikation als Schlüssel
Selbst der bestgeplante Prozess wird scheitern, wenn es an klarer, offener und empathischer Kommunikation fehlt. Unternehmen sollten von Anfang an frühzeitig und transparent informieren – sowohl gegenüber den direkt betroffenen Mitarbeitenden als auch gegenüber den verbleibenden Teams und allen weiteren internen Stakeholdern. Führungskräfte müssen schwierige Gespräche respektvoll führen und Fragen sicher sowie verständlich beantworten können. Nur so lassen sich Vertrauen aufbauen und Unsicherheiten abbauen.
Gleichzeitig ist es entscheidend, auch externe Anspruchsgruppen einzubeziehen. Dazu zählen neben Medien und Kunden etwa Lieferanten, Partner oder andere, die direkt oder indirekt betroffen sind. Werden diese Gruppen rechtzeitig und verständlich über die Hintergründe und möglichen Auswirkungen informiert, lassen sich Gerüchte vermeiden, Vertrauen sichern und die Reputation des Unternehmens schützen
Key Take Aways
Frühzeitige Planung zählt: Eine rechtzeitige und sorgfältige Vorbereitung mit klarer Kommunikation legt die Basis für einen fairen und rechtssicheren Massenentlassungsprozess.
Transparenz schafft Vertrauen: Offene Informationen und einheitliche Botschaften reduzieren Unsicherheiten und geben Betroffenen und Survivors Orientierung.
Verantwortung übernehmen: Gezielte Unterstützung und klare Perspektiven zeigen soziale Verantwortung und stärken Motivation und Loyalität nachhaltig.





